Wenn im Bauch einer Frau ein Kind heranwächst, ist nichts mehr wie zuvor. Davon ist nicht nur der Alltag betroffen oder die Zeit, die plötzlich knapper wird – auch das Gehirn verändert sich durch Schwangerschaft und die sich ankündigende Geburt. Und – das klingt im ersten Moment dramatisch – das Gehirn von schwangeren Frauen schrumpft tatsächlich in bestimmten Bereichn, was jedoch weder gefährlich noch ein Zeichen von geistigem Abbau ist. Es handelt sich vielmehr um eine natürliche, adaptive Veränderung, die vor allem das soziale Verhalten und die Bindung zum Kind verbessern soll.
Studien (beispielsweise eine inzwischen vielzitierte aus dem Jahr 2016 von Elseline Hoekzema) haben gezeigt, dass etwa die Graue Substanz (bestehend aus Nervenzellkörpern) in bestimmten Bereichen des Gehirns abnimmt, vor allem in Regionen, die mit sozialer Kognition (z. B. Empathie, Erkennen von Emotionen) verbunden sind. Diese Veränderungen treten meist im präfrontalen Kortex und temporalen Kortex auf – also dort, wo soziale Interaktion verarbeitet wird. Heißt: Das Gehirn wird dabei effizienter – es werden neuronale Verbindungen „beschnitten“, die nicht gebraucht werden (ähnlich wie in der Pubertät). Das nennt man Synaptic Pruning. Doch weshalb passiert das?
Veränderungen durch Synaptic Pruning helfen der Mutter, sich besser auf ihr Kind einzustellen. Dies gilt insbesondere beim Erkennen und Verstehen von Baby-Signalen und stärkt so die emotionale Bindung zwischen dem Fötus und der Mutter. Zugleich ist unstritig klar, dass das weibliche Gehirn nicht dauerhaft schrumpft. So können die Veränderungen etwa zwei Jahre lang nachgewiesen werden und sie kehren sich auch nicht vollständig zurück – was aber kein Nachteil ist, wenn unser zentrales Denkorgan adaptiert dies durch andere Fähigkeiten. Viele Frauen berichten sogar von einer erhöhten emotionalen Intelligenz oder einem stärkeren Einfühlungsvermögen nach der Geburt.
Man könne vereinfachend ausgedrückt von „einer Art anstehender Fokussierung“ ausgehen, sagt die Neurobiologin und Professorin Daniela Pollak vom Department für Neurophysiologie und Neuropharmakologie der Medizinischen Universität Wien, denn „Überflüssige Verknüpfungen im Gehirn werden entfernt, so dass gewissermaßen Platz ist für neue Verknüpfungen, die es für das Großziehen des Nachwuchses braucht.“ Prof. Dr. Inga Neumann, Neurobiologin an der Uni Regensburg, vergleicht das Gehirn werdender Mütter gar mit einer anderen wichtigen Phase im Leben eines Menschen: Der Pubertät. Während dort das Kind zum Erwachsenen werde, entwickele sich die Frau in der Schwangerschaft zur Mutter. In beiden Phasen zeige das Gehirn eine erstaunliche Plastizität, so die Forscherin im Magazin STERN. Weitere Prallele laut Neumann: In beiden Lebensphasen spielten Hormone eine herausragende Rolle.
Also: Wenn im Bauch einer Frau ein Kind heranwächst, ist in der Tat nichts mehr wie zuvor. Und obwohl ihr Gehirn während der Schwangerschaft selektiv und funktional „schrumpft“, handelt es sich um eine Jahrhunderttausende Jahre alte und evelutionär sinnvolle Anpassung und keinesfalls um eine Schädigung, denn die Veränderungen fördern sogar Bindung, Empathie und soziales Verhalten.