Hirnforschung: Schlaue Gehirne ticken anders, was aus der frühen Kindheit resultiert

Das Aussehen unseres Gehirns ist eher unspektakulär: Es ähnelt einer großen Walnuss mit rund 1,5 Kilogramm Gewicht. Innen besteht es zu über zwei Dritteln aus Wasser, der Rest ist vor allem Fettgewebe und Eiweiß. Das lässt nicht im Ansatz erahnen, zu was dieses erstaunlichste und rätselhafteste Organ in unserem Körper fähig ist, denn es reguliert nicht nur unsere Körpertemperatur und den Blutdruck, steuert Atmung, Verdauung und unseren Schlaf.

Darüber hinaus macht es unser ICH aus, unseren Geist, die Fähigkeit wie und vor allem wie weit wir denken, Probleme lösen, Dinge entwerfen, Inspirationen erhaten und kann darüber hinaus jahrzehntelang viele Erinnerungen und Ereignisse abrufen. Seine größte Fähigkeit ist aber, über sich und seine Gedanken selbst nachzudenken.

Bis vor nicht allzu langer Zeit gingen Hirnforscher davon aus, dass für den menschlichen Verstand hauptsächlich eine bestimmte Region unseres Gehirns verantwortlich ist: der präfrontale Kortex. Dies ist ein Bereich der Hirnrinde direkt hinter unserer Stirn. Man vermutete, dass hier die meisten höheren Denkfunktionen angesiedelt sind – sozusagen als Steuerzentrale der Intelligenz und unserer Gedanken. Seit Ende des 20. Jahrhunderts herrscht ein komplexeres Bild vor, das durch aktuelle Studien gestützt wird. Aktuell gehen die Forschenden davon aus, dass mehr als ein Dutzend verschiedene Bereiche des Gehirns zu unserer geistigen Leistungsfähigkeit beitragen, indem sie interagieren. Dazu gehören insbesondere die beiden Schläfenlappen und der Hinterhauptslappen – Regionen, die auch maßgeblich für die Verarbeitung von Sinnesreizen und das Sprachvermögen zuständig sind.

Durch verschiedene Studien haben Neurowissenschaftler herausgefunden, dass bei komplexen Denkprozessen nicht nur Bereiche der Großhirnrinde (also die äußere Schicht des Gehirns) beteiligt sind, sondern auch Neuronenverbände im Kleinhirn und der Hippocampus. Diese unterschiedlichen Hirnzentren kommunizieren meist über Verbindungsstränge, die inzwischen „weiße Substanz“ genannt werden. Diese „weiße Substanz“ besteht hauptsächlich aus Millionen von Nervenzellfortsätzen / Axonen, die Signale von einer Nervenzelle zur nächsten übertragen. Die weiße Farbe kommt von einer Substanz, die die Axone umhüllt: Myelin. Dies ist eine fettreiche Schicht, die sich mehrfach um die Nervenfasern wickelt, vergleichbar vielleicht mit der Isolierschicht um Kupferkabel.

Ganz andere Disziplinen der Neurowissenschaft befassen sich darüber hinaus mit der Frage, ob die Intelligenz eines Menschen durch seine Gene bestimmt ist oder wird und die Antwort ist ganz klar: Nein! Neuere Studien an eineiigen Zwillingen haben gezeigt, dass nur etwa 50 Prozent der Intelligenz angeboren ist. Der Einfluss des Umfelds, darunter der der Eltern, wird auf maximal 30 Prozent geschätzt, und das vor allem in der frühen Kindheit. Später nehme dieser Einfluss stetig ab, sinke auf 20 Prozent und schließlich auf 10 Prozent. Der restliche Anteil bleibt unterschiedlich und muss daher als unklar definiert werden, entspricht somit den üblichen Schwankungen bei empirischen Tests.

Obwohl die Gene bei der Entwicklung unserer Intelligenz eine bedeutendere Rolle spielen als das Lebensumfeld, sind die anfangs 30 Prozent gleichwohl enorm wichtig bei und für die Entwicklung des Verstandes. Ein Beispiel aus den Zwillings-Studien: wird ein Kind mit durchschnittlicher Intelligenz geboren und anschließend durchschnittlich gefördert, bleibt es durchschnittlich intelligent mit einem IQ von etwa 100. Strengen sich jedoch Eltern, Erzieher und Lehrkräfte besonders an und wird dem Kind bzw. dem Heranwachsenden ein Umfeld geboten, bei dem Lernen Spaß bereitet, kann durchaus ein IQ von 115 erreicht werden, was im Bundesdurchschnitt einem sehr guten Abitur entspricht. Im Umkehrfall, also einer Vernachlässigung der Förderung oder gar der Misshandelung des Kindes, kann dessen IQ auf 85 sinken, was der ersten Stufe einer leichten geistigen Behinderung entspricht.

Eine Studie zeigte zudem, dass auch die Art und Weise, wie Eltern mit ihren Kindern kommunizieren ein wichtiger Faktor für die Intelligenzentwicklung ist, denn Sprache hat einen starken Einfluss auf die Intelligenz. Es gab eine erkennbar hohe Korrelation zwischen der späteren geistigen Leistungsfähigkeit eines Menschen und der Menge an Kommunikation, die er in der frühen Kindheit von seinen Eltern erhalten hat, was daran liegt, dass die Verarbeitung von Sprache im Gehirn sowohl kognitive als auch emotionale Aspekte umfasst.

Abschließend ist auch ein Paradoxum erwähnenswert, das Simulationen kürzlich belegt haben: Gehirne von Menschen mit höherem IQ arbeiten vor allem bei einfachen Entscheidungen und Problemlösungen schneller als solche von Menschen mit niedrigerem IQ, was durchaus an ihrer effizienteren Vernetzung liegt. Interessanterweise benötigen sie aber mehr Zeit für die Lösung komplizierter Aufgaben, was jedoch zu effizeinteres Problemlösungen führt, denn durch die Synchronisation verschiedener Hirnregionen beim Nachdenken ist es möglich, Entscheidungen länger hinauszögern, was voreilige Schlüsse und Fehler mindert.

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