Zu schlafen ist für unser Gehirn mehr als nur Erholung, denn während dieser Ruhephase werden Verbindungen zwischen Nervenzellen verstärkt, neu geknüpft oder sogar planmäßig abgebaut. Besonders wichtig ist dieser Prozess für Babys und Kleininder, deren Gehirn sich noch in der Entwicklung befindet. Wissenschaftliche Untersuchungen hatten gezeigt, dass Schlafmangel bei Grundschulkindern zu Verhaltensauffälligkeiten und kognitiven Defiziten führen kann. Die Behandlung und Pflege von Früh- und Neugeborenen in Kliniken stört zwangsläufig den Schlaf der kleinen Patienten und Patientinnen.
Dr. rer. nat. Jürgen Graf, ein aufstrebender Wissenschaftler desUniversitätsklinikums Jena, ist derzeit dabei, herausfinden, welche Auswirkungen gestörter Schlaf in dieser frühen Phase der Gehirnentwicklung hat und wie sich diese Störungen im Klinikalltag minimieren lassen können. Sein Projekt wird im Medical-Scientist-Programm der Medizinischen Fakultät unterstützt. Man untersuchen die kurz- und langfristigen Auswirkungen von Schlafmangel auf die Struktur und Funktion des Gehirns in dieser kritischen Entwicklungsphase“, erklärt Jürgen Graf. Dafür verwende man Verhaltenstests und bildgebende Verfahren. „Zum Beispiel können wir mit der Zwei-Photonen-Kalzium-Mikroskopie Veränderungen in der spontanen Netzwerkaktivität des Gehirns erkennen“, berichtet Graf. Diese Studien finden natürlich nicht an Säuglingen, sondern im Tierversuch statt, denn der Entwicklungsstand des Gehirns bei wenige Wochen alten Mäusen entspreche dem von frühgeborenen Menschen, heißt es von Seiten der Jenaer Uniklinik. Auch die Hirnaktivität in den verschiedenen Schlafphasen werde bei den Tieren gemessen, um ihre Bedeutung für die Funktion und Reifung des Gehirns besser zu verstehen, heißt es weiter im aktuellen Klinikmagazin.
Diese Grundlagenforschung wird durch Untersuchungen auf der Neugeborenen-Intensivstation ergänzt. Mit den Erkenntnissen aus den Tierversuchen und in Zusammenarbeit mit Experten der Kinderschlafmedizin und Informatik soll so eine Methode zur kontinuierlichen Überwachung des Schlafzustands von Frühgeborenen entwickelt werden. Dr. Jürgen Graf sagt dazu: „Anhand der stetig erfassten Vitalpa-rameter wie Herz-, Atemfrequenz und Mobilität wollen wir die Schlafphasen der Frühgeborenen klassifizieren und kontinuierlich bestimmen, um für die Hirnentwicklung besonders sensible Schlafabschnitte besser schützen zu können.“ Im Endeffekt solle eine Art Ampel am Inkubator entstehen, die dem medizinischen und pflegerischen Personal auf der Frühgeborenenstation im Alltag signalisiert: „Bitte nicht stören – Baby befindet sich im Lernschlaf.“
Ob ein solches Pflege- und Behandlungskonzept, das an den individuellen Schlafzuständen der kleinen Patientinnen und Patienten ausgerichtet ist, langfristig positive Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder hat und neurologischen oder psychologischen Störungen vorbeugen kann, muss im Anschluss durch eine klinische Studie überprüft werden, heißt es aus Jena. Die kontinuierliche Erfassung der Schlafphasen bei Früh- und Neugeborenen könnte mit Sicherheit auch einen wichtigen Beitrag zur Untersuchung weiterer klinischer Fragestellungen in der Neonatologie leisten.